Die Praxen werden quasi von Patienten mit falschen Erwartungen überrannt
Mannheim – Seit der Änderung des Betäubungsmittelrechts im März dieses Jahres dürfen Ärzte aller Fachrichtungen Cannabisblüten und -extrakte verordnen. Doch obwohl unter anderem die Deutsche Schmerzgesellschaft offiziell „die Gesetzesänderung begrüßt, weil sie Barrieren bei der Kostenerstattung abbaut“, sind die Schmerzmediziner so richtig glücklich nicht mit der Neuregelung. Dies wurde auf dem Deutschen Schmerzkongress deutlich.
„Viele Schmerzpraxen und -ambulanzen sehen sich mit mehr oder minder vehement vorgetragenen Forderungen von Patienten zur Rezeptierung von Cannabis konfrontiert“, sagte Prof. Dr. Winfried Häuser, Präsident des Deutschen Schmerzkongresses, in Mannheim. „Die Praxen werden quasi von Patienten mit falschen Erwartungen überrannt.“
Kein „geprüftes Arzneimittel“
Denn in Publikumsmedien und in vielen Internetforen werde der Eindruck erweckt, dass mit Cannabis nun endlich ein wirksames Schmerzmittel verfügbar werde, das zuvor den Patienten vorenthalten worden sei. „Es herrscht die falsche Vorstellung, es handle sich um ein geprüftes Arzneimittel“, ergänzte PD Dr. Stefanie Förderreuther, Präsidentin der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft.
Doch so einfach ist es nicht. Wie Häuser, Ärztlicher Leiter des Schwerpunkts Psychosomatik der Klinik Innere Medizin I des Klinikums Saarbrücken, auf einer Pressekonferenz beim Kongress sagte, sei es zunächst wichtig, den Patienten gegenüber klarzustellen, dass Cannabis selbst kein Wirkstoff ist, sondern ein Produkt auf Basis einer Pflanze.
Und das gibt es in ganz unterschiedlichsten Formen:
- als getrocknete Blüten (Medizinalhanf oder medizinisches Cannabis),
- standardisierte Extrakte (Rezepturarzneimittel), die nach dem aus den Blüten extrahierten Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) und/oder Cannabidiol (CBD) standardisiert sind oder
- synthetisch hergestellte Cannabis-Analoga (das Fertigarzneimittel Nabilon).
Dabei haben die derzeit 14 (!) Sorten rezeptierbarer Cannabisblüten einen THC-Gehalt, der von 1 bis 22% reicht, und CBD-Konzentrationen zwischen 0,05 und 9%.
Welcher Wirkstoffgehalt aber bei welcher Indikation wie wirkt (und welche Nebenwirkungen hat), ist aufgrund fehlender valider wissenschaftlicher Studien völlig unklar.
Autor: Medcape