Morbus Sudeck-Ursachen: Fehlregulation des autonomen Nervensystems

Nach der Verletzung eines Nervens sind es vor allem die Anteile des unbewussten (autonomen) Nervensystems, die wahrscheinlich hauptverantwortlich für die Ausbildung eines Morbus Sudeck sind. Insbesondere das sympathische Nervensystem (ein Teil des autonomen Nervensystems) scheint maßgeblich an der Entstehung eines CRPS beteiligt zu sein. Die beiden Gegenspieler des autonomen Nervensystems (Sympathikus und Parasympathikus) sorgen für eine unwillkürliche Steuerung der Körperfunktionen wie beispielsweise der Durchblutung, Schweißsekretion oder Herzfunktion.

Welche Mechanismen genau dahinter stecken, ist noch nicht bekannt. Doch es gibt einige Hypothesen. Die Schädigung dieser Nervenfasern aufgrund der Gewebeverletzung führt zu zu einer überschießende Fehlregulation des Sympathikus, die den Heilungsprozess gestört. Deshalb wird Morbus Sudeck auch als sympathische Reflexdystrophie bezeichnet. Die Überaktivität des Sympathikus beeinträchtigt die Schmerzempfindung . An der betroffenen Stelle werden verstärkt schmerzverursachende Substanzen ausgeschüttet. Diese wiederum stören den Blutfluss, und es bilden sich Wassereinlagerungen. Zunehmend kommt es zum Umbau verschiedener Strukturen, weshalb die Schmerzen und Funktionsstörungen anhalten.

Patienten irren häufig von Arzt zu Arzt, bis die Diagnose gestellt wird. Dies liegt unter anderem an der Vielfalt der möglichen Symptome der Erkrankung. Grundsätzlich sollte aber immer an einen Morbus Sudeck gedacht werden, wenn Wochen nach einer Verletzung oder nach einer Operation Schmerzen auftreten und die betroffene Körperstelle auch optisch verändert ist.

Die richtigen Ansprechpartner bei diesem Verdacht können beispielsweise der Hausarzt, ein Chirurg oder ein Arzt mit der Zusatzbezeichnung Schmerztherapie sein. Auch Physio- und Ergotherapeuten haben häufig viel Erfahrung mit der Diagnose und Behandlung eines Morbus Sudeck. Die Feststellung eines CRPS wird als sogenannte Ausschlussdiagnose bezeichnet. Das bedeutet, dass erst andere mögliche Ursachen für die Beschwerden ausgeschlossen werden müssen, bevor diese Diagnose gestellt werden darf.

Für die Diagnose erkundigt sich der Arzt über Ihre aktuellen Beschwerden und mögliche Vorerkrankungen und Operationen (Anamnese). Typische Fragen des Arztes könnten dabei sein:

  • Wie lange haben Sie die Schmerzen bereits?
  • Haben Sie sich an dieser Stelle verletzt oder wurde dort operiert?
  • Haben Sie die Röntgenaufnahmen von der Verletzung?
  • Wie lange liegt die Verletzung/Operation zurück?
  • Bestehen bei Ihnen andere Vorerkrankungen, zum Beispiel rheumatische Erkrankungen?
  • Nehmen Sie Medikamente ein?

Bei der körperlichen Untersuchung achtet der Arzt insbesondere auf eine offensichtliche Veränderung in der Region der Verletzung. Dazu gehören ein Gewebeschwund von Bindegewebe und Muskulatur (Atrophie), eine Überwärmung der Haut, eine Funktionseinschränkung von Gelenken und gegebenenfalls ein vermehrtes Schwitzen und auffallend verstärktes Haarwachstum direkt an oder in der Nähe der ursprünglichen Verletzung. Dazu kann auch die Temperatur der Haut gemessen und mit der gesunden Gegenseite verglichen werden. Temperaturunterschiede der Haut sprechen für ein CRPS.

Um formal die Diagnose Morbus Sudeck zu stellen, müssen die sogenannten Budapest-Kriterien erfüllt sein. Zu diesen Kriterien zählen:

  • Dauerhafter Schmerz, der durch die ursprüngliche Verletzung nicht erklärbar ist
  • Der Patient muss von jeweils mindestens einem Symptom aus drei der vier der folgenden Kategorien berichten und bei der Untersuchung muss der Arzt jeweils mindestens ein Symptom aus zwei der vier folgenden Kategorien feststellen:
    • übermäßige Schmerz- oder Berührungsempfindlichkeit
    • im Seitenvergleich Unterschiede in Hauttemperatur oder -farbe
    • im Seitenvergleich Unterschiede beim Schwitzen oder Wassereinlagerungen
    • eingeschränkte Beweglichkeit, verstärkte Muskelspannung, -zittern oder –schwäche, verändertes Haar- oder Nagelwachstum
  • Andere Erkrankungen als Ursachen der Beschwerden sind ausgeschlossen (zum Beispiel rheumatische Erkrankungen, Kompartmentsyndrom, Thrombose, Entzündungen, Arthrose, etc.)

Falls noch Unklarheiten bestehen, können zur Bestätigung des Morbus Sudeck folgende weiterführende Untersuchungen durchgeführt werden:

  • Röntgen: an der betroffenen Extremität bilden sich kleinfleckige Entkalkungen des Knochens, vor allem im Seitenvergleich große Unterschiede.
  • Mehrphasenszintigramm („Drei-Phasen-Skelettszintigrafie“): Es zeigen sich bandenförmige Anreicherungen des sogenannten Tracers nahe den Gelenken
  • Hauttemperaturmessung: dauerhaft oder wiederholt gemessene Unterschiede im Seitenvergleich um über 1 bis 2°C.

Die Morbus-Sudeck-Therapie sollte von einem erfahrenen Spezialisten durchgeführt werden, da die Behandlung relativ komplex ist und die Zusammenarbeit von Fachleuten verschiedener Disziplinen (Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Ärzte) erfordert. Außerdem müssen sowohl Patient als auch Therapeut sehr geduldig sein. Auch kleine Verbesserungen sollten als Erfolg gewertet werden. Beim Morbus Sudeck steht die fächerübergreifende Schmerztherapie im Vordergrund. Diese setzt sich zusammen aus:

Medikamentöse Therapie

Abhängig von den auftretenden Beschwerden werden verschiedene Medikamentengruppen  eingesetzt. Im Vordergrund der Morbus Sudeck-Therapie steht eine gezielte Schmerztherapie nach dem WHO-Stufenschema zur Behandlung chronischer Schmerzen. Üblicherweise beginnt man dabei mit sogenannten Nicht-Opioid-Analgetika (Stufe 1), wie beispielsweise Paracetamol oder Ibuprofen. Reichen diese nicht aus, können zusätzlich zu Stufe 1 auch schwache Opioide (Stufe 2) oder starke Opioide (Stufe 3) hinzugegeben werden. Opioide sind Abkömmlinge des Morphins, eine Abhängigkeit ist aber in der Regel nicht zu erwarten. Gegen den einschießenden, brennenden (neuropathischen) Schmerz können die Medikamente Gabapentin, Ketamin oder sogenannte trizyklische Antidepressiva verabreicht werden. Diese Medikamente werden in erster Linie bei anderen Erkrankungen eingesetzt. Seit einiger Zeit weiß man jedoch, dass sie auch sehr gut gegen neuropathische Schmerzen wirksam sind.

Als weitere Substanzgruppe kommen sogenannte Bisphosphonate zum Einsatz. Sie hemmen jene Zellen (Osteoklasten), die den Knochen abbauen. Wird der Abbau der Knochensubstanz medikamentös verhindert, so lindert dies häufig auch die Schmerzen beim CRPS. Vor allem zu Beginn des Morbus Sudeck, wenn eine akute Entzündung besteht, sind die Medikamente Calcitonin oder Cortison sinnvoll, da sie entzündungshemmend wirken. Neben dem entzündungshemmenden Effekt wirkt Cortison gut gegen Wassereinlagerungen (antiödematös).

Physiotherapie

Die Physiotherapie nimmt eine zentrale Stellung bei der Behandlung des Morbus Sudeck ein. Sie zielt darauf ab, krankhafte Bewegungsmuster oder durch den Schmerz provozierte Ausweichbewegungen zu korrigieren und den Patienten Stück für Stück wieder zu mobilisieren. Es bedarf viel Geduld und Ermutigung, sodass der Patient versucht, auch unter Schmerzen, die betroffene Extremität zu bewegen. Zu den physiotherapeutischen Maßnahmen gehören ferner die Lymphdrainage und die sogenannte propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation (PNF). Empfehlenswert sind zudem tägliche krankengymnastische Übungen.

Ergotherapie

Mithilfe von Ergotherapie sollen die Patienten lernen, ihren Alltag besser zu bewältigen und mit ihrer Umwelt zurechtzukommen. Hierbei wird versucht, normale Bewegungsabläufe wiederherzustellen und das Empfinden zu verbessern. Vor allem die übermäßige Schmerzempfindlichkeit an der betroffenen Extremität soll so vermindert werden.

Psychotherapie

Psychotherapie bei Morbus Sudeck ist oftmals sinnvoll, da die chronischen Schmerzen zu Depression und Verzweiflung führen können. In der Psychotherapie erlernen die Betroffenen Techniken, um die psychischen Auswirkungen ihrer Erkrankung besser bewältigen zu können. Trainiert werden beispielsweise Entspannungsverfahren oder konkrete Techniken, mit denen sie mit der seelischen und körperlichen Belastung und eventuellen Ängsten besser zurechtkommen. Vor allem für Patienten, die bereits vor der Erkrankung an Morbus Sudeck psychische Beschwerden hatten, ist eine psychotherapeutische Behandlung zusätzlich zur rein körperlichen Therapie sinnvoll.

Interventionelle Therapie

Unter einer interventionellen Therapie versteht man Eingriffe, bei denen die Erkrankung durch spezifische interventionelle Techniken behandelt wird. Die interventionelle Morbus-Sudeck-Therapie sollte aufgrund möglicher Komplikationen nur von Spezialisten durchgeführt werden. Zu diesen Therapieverfahren zählen Blockaden des sympathischen Nervensystems, elektrische Stimulation des Rückenmarks und die Einbringung von Baclofen in den Rückenmarkskanal. Sowohl die Sympathikusblockade als auch die Stimulation des Rückenmarks zielen darauf ab, die Schmerzen zu lindern. Baclofen ist ein Medikament, das bei starker Muskelverspannung eingesetzt wird, um diese zu mildern.

 

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Elke Kraft Tel.: 0211 36180015 Mail: crps.shg.duesseldorf@web.de