Lieferengpässe und abgelehnte Erstattung durch die Kassen: Die Versorgung mit medizinischem Cannabis stockt

Stockende Versorgung mit Cannabisblüten als Medikament: Entweder sei Cannabis nicht lieferbar, oder es sei lieferbar, werde aber nicht erstattet, erklärt der Deutsche Hanfverband. „Die Situation ist verfahren“, so Florian Rister, stellvertretender Geschäftsführer des Verbandes.

Bis zum März 2017 mussten sich z.B. Schmerzpatienten beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) per Sondererlaubnis genehmigen lassen, Cannabis aus therapeutischen Gründen zu konsumieren. Insgesamt wurden bis zu diesem Datum 1.061 Genehmigungen ausgesprochen: rund 57% an Schmerzpatienten, rund 14% an ADHS-Patienten und rund 10% an Patienten, die unter Spastiken leiden. Die übrigen Genehmigungen erhielten z.B. Patienten mit Depressionen (7%), Darmerkrankungen (3%) oder Epilepsie (2%). Das bestätigt Sabine Cibura, stellvertretende Pressesprecherin des BfArM.

Apotheken können nicht liefern, aber …

Im März 2017 kam dann das neue Cannabis-Gesetz. Nun können Ärzte ihren Patienten Cannabis verschreiben. Allerdings klagten rasch viele Patienten über Versorgungsprobleme in den Apotheken, berichtet Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbands. Das verordnete Cannabis sei nicht verfügbar.

Nach Angaben des BfArM wird Cannabis derzeit aus Kanada und Holland eingeführt. „Wir bestätigen, dass es zu Engpässen kommt“, sagt Christian Splett, Sprecher der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), zu Medscape. „Aber das bedeutet nicht automatisch eine medizinische Mangelversorgung der Patienten. Ärzte können alternativ andere Rezeptur-Arzneimittel mit Cannabis verordnen“, teilt die ABDA mit. In jeder Apotheke könnten mit den Wirkstoffen Dronabinol und Cannabidiol flüssige Rezeptur-Zubereitungen zum Einnehmen hergestellt werden, heißt es in einer Meldung des Deutschen Arzneimittel-Codex.

Dessen ungeachtet hat die sogenannte Cannabisagentur den Anbau und die Lieferung der Pflanze im April europaweit ausgeschrieben, um stets genug Cannabis zur Verfügung zu haben. Die Agentur arbeitet unter dem Dach des BfArM. Bis 2021 rechnet sie mit 5.500 Patienten, die Cannabis konsumieren werden. Diese Zahl sei viel zu gering angesetzt, meint jedoch Wurth vom Hanfverband. „Die 5.500 Patienten haben wir heute schon – da bin ich mir ganz sicher.“

Autor: Medscape

Cannabis gegen Schmerzen

Die Praxen werden quasi von Patienten mit falschen Erwartungen überrannt

Mannheim – Seit der Änderung des Betäubungsmittelrechts im März dieses Jahres dürfen Ärzte aller Fachrichtungen Cannabisblüten und -extrakte verordnen. Doch obwohl unter anderem die Deutsche Schmerzgesellschaft offiziell „die Gesetzesänderung begrüßt, weil sie Barrieren bei der Kostenerstattung abbaut“, sind die Schmerzmediziner so richtig glücklich nicht mit der Neuregelung. Dies wurde auf dem Deutschen Schmerzkongress deutlich.

„Viele Schmerzpraxen und -ambulanzen sehen sich mit mehr oder minder vehement vorgetragenen Forderungen von Patienten zur Rezeptierung von Cannabis konfrontiert“, sagte Prof. Dr. Winfried Häuser, Präsident des Deutschen Schmerzkongresses, in Mannheim. „Die Praxen werden quasi von Patienten mit falschen Erwartungen überrannt.“

Kein „geprüftes Arzneimittel“

Denn in Publikumsmedien und in vielen Internetforen werde der Eindruck erweckt, dass mit Cannabis nun endlich ein wirksames Schmerzmittel verfügbar werde, das zuvor den Patienten vorenthalten worden sei. „Es herrscht die falsche Vorstellung, es handle sich um ein geprüftes Arzneimittel“, ergänzte PD Dr. Stefanie Förderreuther, Präsidentin der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft.

Doch so einfach ist es nicht. Wie Häuser, Ärztlicher Leiter des Schwerpunkts Psychosomatik der Klinik Innere Medizin I des Klinikums Saarbrücken, auf einer Pressekonferenz beim Kongress sagte, sei es zunächst wichtig, den Patienten gegenüber klarzustellen, dass Cannabis selbst kein Wirkstoff ist, sondern ein Produkt auf Basis einer Pflanze. 

Und das gibt es in ganz unterschiedlichsten Formen:

  • als getrocknete Blüten (Medizinalhanf oder medizinisches Cannabis),
  • standardisierte Extrakte (Rezepturarzneimittel), die nach dem aus den Blüten extrahierten Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) und/oder Cannabidiol (CBD) standardisiert sind oder
  • synthetisch hergestellte Cannabis-Analoga (das Fertigarzneimittel Nabilon).

Dabei haben die derzeit 14 (!) Sorten rezeptierbarer Cannabisblüten einen THC-Gehalt, der von 1 bis 22% reicht, und CBD-Konzentrationen zwischen 0,05 und 9%.

Welcher Wirkstoffgehalt aber bei welcher Indikation wie wirkt (und welche Nebenwirkungen hat), ist aufgrund fehlender valider wissenschaftlicher Studien völlig unklar.

Autor: Medcape

Die eigene Erkrankung besser verstehen

Immer wieder berichten Erkrankte, dass sie nicht alles verstehen, was Ärzte ihnen sagen oder was in Beipackzetteln steht. Die Landesarbeitsgemeinschaft der Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthilfeunterstützung in Rheinland-Pfalz hat deshalb für verschiedene Situationen und Krankheitsbilder Broschüren in einfacher Sprache erstellt. Sie können Patienten dabei helfen, Informationen besser zu verstehen. Darunter ist auch eine Broschüre „Ich verstehe dich – Gespräche in Gruppen“.

 

Hier können Sie die Broschüren downloaden:

https://www.unipark.de/uc/NEPS/5815/

 

Autor: SchmerzLos

Nachfrage nach medizinischem Cannabis deutlich angestiegen

Berlin – Die Verordnung von medizinischem Cannabis ist seit einer Gesetzesänderung vor einem Jahr kontinuierlich gestiegen. Im vergangenen Jahr gaben die Apotheken rund 44.000 Einheiten Cannabisblüten auf Kosten der gesetzlichen Kranken­ver­sicherung (GKV) ab, wie die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) heute in Berlin mitteilte.
Dabei stieg die Zahl demnach von Quartal zu Quartal an. Laut einer von der ABDA veröffentlichten Auswertung des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts gaben die Apotheken im zweiten Quartal vergangenen Jahres auf 4.615 Rezepte 10.055 Einheiten ab, im vierten Quartal aber bereits 18.828 Einheiten bei 12.717 Rezepten.

Wie viele Patienten Cannabisblüten erhielten, wurde aus Datenschutzgründen nicht ermittelt. Die Zahlen legten aber die Vermutung nahe, „dass es inzwischen deutlich mehr sind als die etwa 1.000 Patienten, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes eine Ausnahmegenehmigung hatten“, erklärte der Präsident der Bundesapothekerkammer, Andreas Kiefer. Cannabisrezepturen seien also „zumindest teilweise im Versorgungs­alltag angekommen“.

Das neue Cannabisgesetz war am 10. März 2017 in Kraft getreten. Ärzte können seitdem schwerkranken Patienten unter bestimmten Bedingungen medizinisches Cannabis zulasten der GKV verordnen.

© afp/aerzteblatt.de